Was uns psychisch stark macht (Teil 1)
Resilienz: Das Geheimnis psychischer Stärke
Warum meistern manche Menschen Ausnahmesituationen besser als
andere? „Resilienz“ heißt die Antwort“.
Wir alle kennen sie: Menschen, die „Nerven wie Drahtseile“
haben, „ein Fels in der Brandung“ sind oder sich immer wieder als
„Stehaufmännchen“ erweisen. Mit Redewendungen wie diesen beschreiben wir eine bemerkenswerte
Eigenschaft, die Experten als Resilienz bezeichnen. Sie meinen ein Erleben und
Verhalten, das uns nicht nur massiven Belastungen trotzen lässt – ganz im Sinne
der lateinischen Bedeutung von „resilire = abprallen“ –, sondern mit dem wir
unsere Herausforderungen meistern und dabei an ihnen sogar noch wachsen können.
Wer meint, ihm sei von Hause aus nur wenig psychische Widerstandsfähigkeit
in die Wiege gelegt, wird sich über folgende Erkenntnis freuen: Erfahrungen in Beratung, Coaching und
Psychotherapie zeigen immer wieder, dass die meisten Menschen
Resilienzkompetenzen in sich haben, die schlichtweg nicht aktiviert sind. Das
heißt: Es steckt mehr in uns, als wir uns träumen lassen.
Allgemeine
Resilienzfaktoren
Dank ausgiebiger Forschungen können Wissenschaftler
mittlerweile eine ganze Reihe zentraler Resilienzfaktoren benennen. Dazu zählen zum
Beispiel intellektuelle Fähigkeiten, soziale Kompetenz,
Problemlösungskompetenzen, gute Selbstwirksamkeit und Selbststeuerung sowie
erfolgreiches Stressmanagement. Resiliente Menschen erweisen sich zudem als
lösungsorientiert, beziehungsfähig, offen, interessiert, selbstmotiviert,
entschlossen, zielstrebig, sinnorientiert, positiv denkend, selbstachtsam,
gelassen und in sich ruhend. Bei dieser noch nicht weiter verlängerbaren Liste
idealer Eigenschaften, stellt sich unweigerlich die Frage: Wie kann ich zu
einer solchen Resilienzpersönlichkeit werden? Und vor allem: Ist es tatsächlich
notwendig, alle Faktoren zur Verfügung zu haben, um den Widrigkeiten des Lebens
gewachsen zu sein?
Resilienz als
individuelle Kompetenz
Diesbezüglich gilt es folgendes zu verstehen: Listen wie
die der Resilienzfaktoren machen allgemeine Aussagen bezogen auf einen
statistischen Durchschnitt der untersuchten Personen.
Für den praktisch
arbeitenden Coach, Berater oder Psychotherapeuten ist diese Form
wissenschaftlicher Erkenntnisse weniger dienlich. In ihrem Arbeitsalltag geht
es nämlich um einzelne Individuen und deren spezifische Lebenssituationen. Hier
stellt sich vielmehr die Frage nach der individuellen Resilienzkompetenz.
Sprich: Welchen Herausforderungen sieht sich dieser bestimmte Mensch gegenübergestellt?
Welche auf ihn abgestimmten resilienten Verhaltensweisen wären für ihn
zielführend? Und welche Resilienzfaktoren braucht er, um sich in dieser Art und
Weise verhalten zu können? Ein Mensch, der beruflich ständig in exponierter
Stellung steht, von dem diplomatisches Geschick erwartet wird (trotz seines
cholerischen Temperaments) und dem die Zeit ständig im Nacken sitzt (was seinem
Bluthochdruck nicht gerade entgegenkommt) braucht darauf abgestimmte
Kompetenzen. Wiederum andere Resilienzfaktoren helfen jemandem, dem hohe
permanente Konzentration abverlangt wird, der dazu neigt, einen gewissen
Phlegmatismus zu pflegen und der mindestens einmal am Tag mehr oder weniger
starke Kopfschmerzattacken hat. Genau darum geht es in der Praxis des
Resilienzcoachings: um individuelle Antworten und Vorgehensweisen für jeden
Einzelnen.
Praxis des
Resilienzcoachings
Je nach Resilienz- und Persönlichkeitskonzept gibt es im
Coaching sicherlich ganz unterschiedliche Herangehensweisen.
Ein sehr
hilfreiches Vorgehen basiert z.B. auf der Potentialhypothese. Diese besagt,
dass die meisten Menschen kein wesentliches Defizit an Resilienzkompetenz
haben, das irgendwie ausgeglichen oder gestopft werden müsste. Wir haben an
Kompetenz was wir brauchen, sie ist (zeitweise) nur nicht (ausreichend)
aktiviert. Resilienzcoaching in diesem Sinne bedeutet dann „Schatzsuche“ und
„Schatzverwertung“. Es geht darum, bereits vorhandene Kompetenzen aufzufinden
und sie zu aktivieren. Hierbei können psychologische Methoden helfen, die jeder
von uns auch im Alltag bei seinem eigenen „Psychomanagement“ benutzt – meistens
jedoch ohne es zu bemerken und teilweise noch nicht so vielseitig und geschickt
wie möglich. Das liegt daran, dass dieses „Psychomanagement“ in der Regel
unbewusst und unwillkürlich abläuft. Experten sprechen von hypno-imaginativen,
psychoenergetischen und systemischen Aufstellungstechniken, die wir alltäglich
irgendwie handhaben und die es im Coaching zu optimieren gilt. Zum Beispiel
indem wir willkürlich auf unsere unwillkürlich wirkende Kompetenz zuzugreifen
lernen. Dadurch, dass in dieser Art des Resilienzcoachings sowohl an vorhandene
Kompetenzen als auch an bereits alltäglich verwendete „Psycho-Techniken“
angeknüpft wird, ist die Chance recht groß, schon in kurzer Zeit zu einer
spürbaren Verbesserung der eigenen Resilienzkompetenz zu gelangen. Denn wie
gesagt: Es liegt mehr in uns, als wir uns träumen lassen!
Kurze Geschichte der
Resilienzforschung
1950 führte Jack Block den Begriff
„Resilienz“ in die Wissenschaft ein. Zunächst blieb dieser jedoch ohne weitere
Beachtung. Erst 20 Jahre später griffen Emmy Werner und Ruth Smith das Thema in
einer viel beachteten Langzeitstudie an Kindern der Insel Kauai wieder auf.
Ihre Fragestellung: Warum entwickeln sich Kinder unter gleich schlechten
Bedingungen so unterschiedlich? Sie hatten beobachtet, dass einige schwer
belastet und psychisch beeinträchtigt aufwuchsen, während andere den Anschein
machten, den Umständen gewachsen zu sein. Die Forscherinnen schrieben dies
einer unterschiedlichen Resilienzausstattung zu. Ein Großteil der
Resilienzforschung befasst sich seither mit der Frage, welche psychischen
Faktoren Resilienz bewirken und welche Umwelt- beziehungsweise
Erziehungsbedingungen entscheidenden Einfluss auf diese Faktoren haben. Die
aktuelle Popularität des Begriffs „Resilienz“ steht im Zusammenhang mit der
wachsenden Sensibilität für Themen wie Stress, Coping, Burnout, Salutogenese
und Achtsamkeit. Sie alle zielen auf ein praktisches Kernproblem ab: Wie können
Menschen ihre psychische Kompetenz so fördern und entwickeln, dass sie die
Herausforderungen des Alltags gesund meistern?
(Bildquellen: Prixabay Freie Bilder https://pixabay.com)
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